Herr Hager
Lehrer für Geschichte, Philosophie und Deutsch als Zweitsprache
 
 

Steven Isserlis: Warum Beethoven mit Gulasch um sich warf

Zürich 2005


Kann ein Buch einen besseren Titel haben? Wohl kaum. Da horcht man doch neugierig auf und ich muss gestehen, das mich sofort die Leselust ergriffen hat. Auch wenn ich nicht zur anvisierten jugendlichen Zielgruppe gehöre und dies kein wissenschaftliches Fachbuch ist, habe ich doch viel gelernt. Manchmal lernt man aus kurzweiligen Jugendbüchern mehr als aus wissenschaftlichen Abhandlungen!

Isserlis gelingt es mit seinen kurzen biographischen Portraits berühmter Komponisten beim Leser, ob nun Jugendlicher oder Erwachsener, echtes Interesse an klassischer Musik und deren Schöpfern zu wecken. Die sechs Essays dieses Bandes sind jeweils in drei Teile gegliedert und geben zunächst eine kurze Lebensbeschreibung gefolgt von einigen Hinweisen zu Besonderheiten der Musik des besprochenen Komponisten und ausgewählten Werken. Abschließend folgen einige Anekdoten und Bonmots von und über die portraitierten Persönlichkeiten, die die biographischen Anmerkungen abrunden. Im Anhang des Buches finden sich leicht verständliche Erklärungen einiger musikalischer Fachbegriffe.

Meiner Meinung nach ist es überaus wichtig, dass Kinder und Jugendliche im Geschichtsunterricht nicht nur die - überwiegend männlichen - Heerführer und Politiker kennenlernen, sondern auch einen Einblick in die Welt der Kultur und Künste erlangen. Es gibt zahlreiche Künstler, ob nun Komponisten/Musiker, Maler/Bildhauer, Schriftsteller, Tänzer usw. deren Leben und Werk die Welt tiefer und dauerhafter beeinflusst haben als mancher sinnloser Krieg oder Staatsvertrag.

Leider werden Kultur und Künste meist zugunsten der "großen Geschichte" vernachlässigt, so wie auch die musische Bildung bedauerlicherweise mehr und mehr vernachlässigt wird. Es muss ja nicht jeder Schüler ein Instrument spielen oder Noten lesen können. Vielleicht hätten sie daran jedoch Spaß, mehr Spaß als an sinnlosen Computerspielen - möglicherweise können sie aber auch Computer und Musik verbinden und den Computer als Musikinstrument benutzen. Es reicht vielleicht schon, sich nur mit dem Leben berühmter Komponisten oder anderer Künstler zu beschäftigen und einige ihrer Werke zu hören, um Interesse zu wecken. Isserlis beschreibt seine Helden mit all ihren Macken, Schwächen und Sorgen (es geht erstaunlich oft um Geldsorgen) und zeigt so, dass sie auch Menschen und nicht nur Genies waren, die mit alltäglichen Problemen, wie auch wir sie kennen, fertig werden mussten. Wer es im Stil etwas "anspruchsvoller" haben möchte, dem empfehle ich aus Stefan Zweigs "Sternstunden der Menschheit" das Kapitel "Georg Friedrich Händels Auferstehung" zu lesen, oder mal direkt bei Händel reinzuhören.

An Isserlis kleinem Büchlein bleibt im Grunde genommen nur wenig auszusetzen. Dass auf Seite 14 die zweite Frau Bachs zunächst Maria Magdalena (sic!) und sechs Zeilen weiter dann richtig Anna Magdalena genannt wird, ist ein kleiner Flüchtigkeitsfehler. Sehr viel ärgerlicher ist jedoch die mir stellenweise holprig erscheinende Übersetzung aus dem Englischen. Was bedeutet denn bitte: "Brahms war kein natürlicher Interpret." (S. 111)? Ich hoffe, dass diese Schwächen im 2. Band dieser humorvollen Komponistenportraits, der den Titel trägt "Warum Händel mit Hofklatsch hausierte", beseitigt werden. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, bald mehr von diesen verrückten Komponisten zu lesen. 

Herr Hager (2007)

Hörtipp: Walter Murphy & The Big Apple Band - A Fifth Of Beethoven (YouTube)